LG Hamburg: Glücksspielanbieter muss knapp 175.000 Euro zurück erstatten

Mit Urteil vom 20.03.2023 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass ein deutscher Glücksspieler von einem maltesischen Casino einen Betrag in Höhe von knapp 175.000 Euro zurückverlangen kann.

Was war passiert?

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Sportwetten geltend.

Die Klägerin ist Steuerfachangestellte in H.. Im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 21. März 2021 leistete sie unter ihrem Kundenkonto „s.“ an die Beklagte – ein in M. ansässiges Unternehmen, das über die deutschsprachige Internetseite www. b..com/de Online-Sportwetten und Online-Casino anbot – für von ihr getätigte Sportwetten einen Betrag in Höhe von € 216.102,- und erhielt Auszahlungen von € 41.224,-. Im Juli 2019 beliefen sich die Zahlungen beispielsweise auf € 8.868,-, im folgenden Monat auf € 11.328,-. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage K3 Bezug genommen. Die Klägerin nutzte hierfür ihr privates Handy und hielt sich dabei in H. und in N. auf.

Die Beklagte verfügte während des vorgenannten Zeitraums über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, nicht hingegen über eine Erlaubnis der deutschen Behörden. Diese wurde ihr erstmalig am 9. März 2021 durch das für die Erteilung von Sportwettlizenzen zuständige Regierungspräsidium D. erteilt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Hamburg gibt der Klage vollumfänglich statt:

Der Klägerin steht ein Wertersatzanspruch gemäß §§ 812 Abs. 1 S.1, 818 Abs. 1, 2 BGB in Höhe der unstreitig nach Abzug zwischenzeitlicher Gewinne erlittenen Wettspielverluste zu. Die geleisteten Zahlungen erfolgten ohne Rechtsgrund, da die jeweils zugrunde liegenden Wettspielverträge wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GlüStV 2012 nach § 134 BGB nichtig waren.

Auch sei eine Rückforderung verlorenen Geldes nicht ausgeschlossen:

d) Eine Rückforderung ist vorliegend nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt eine Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrags voraus. Unwirksam sind insbesondere solche Spiele und Wetten, die – wie hier – gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen (Haertlein in Beck-OnlineKommentar, § 762 Rn. 116).Randnummer37

e) Der Rückforderung steht schließlich auch nicht § 817 S. 2 BGB entgegen. Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt. Dabei obliegt es der beklagten Bereicherungsschuldnerin, die Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung nach § 817 S. 2 BGB darzulegen und ggf. zu beweisen, also auch, dass die Klägerin vorliegend die Illegalität der auf der Plattform der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiele gekannt oder sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschlossen habe (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8. April 2022, 23 U 55/21, Rnrn. 50 ff.).

Das erkennende Gericht kann insoweit nicht feststellen, dass die Klägerin während der Nutzung des Online-Glücksspielangebots der Beklagten positiv wusste, dass dieses in Deutschland verboten war. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung angegeben, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass die angebotenen Sportwetten verboten gewesen seien. Das Gericht vermag anhand ihrer Angaben auch nicht festzustellen, dass sich die Klägerin einer offenkundigen Erkenntnis in Bezug auf das gesetzliche Verbot leichtfertig verschlossen hätte. Vielmehr dürfte sie sich keine weitergehenden Gedanken hierzu gemacht haben. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht bewiesen.

Im Übrigen käme die Anwendung des § 817 S. 2 BGB zwar insoweit in Betracht, als dass die Klägerin durch ihre Teilnahme an dem unerlaubten Online-Glücksspiel zumindest den objektiven Tatbestand des § 285 StGB verwirklicht haben dürfte (vgl. OLG Dresden, a.a.O., Rnrn. 50 ff.). Im vorliegenden Fall stehen jedoch Grund und Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion (§ 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs 4 GlüStV 2012) einer Anwendung des § 817 S. 2 BGB entgegen. Die Regelung trägt dem Grundsatz Rechnung, dass derjenige, der sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt, bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann. Bei der Anwendung des den Leistenden hart treffenden Rückforderungsverbotes des § 817 S. 2 BGB kann aber nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt. Dem Leistenden kann daher trotz § 817 S. 2 BGB ein Bereicherungsanspruch zustehen, wenn Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die Gewährung eines solchen Anspruchs zwingend erfordern, etwa wenn das Verbotsgesetz vor allem zum Schutz des Leistenden erlassen worden ist. § 817 S. 2 BGB ist darüber hinaus auch dann einschränkend auszulegen, wenn die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustandes mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar ist und deshalb von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann (OLG Dresden a.a.O., m.w.N.).

Das Glücksspielverbot und die Nichtigkeit des Spielvertrages schützen den Spieler und die Allgemeinheit, keinesfalls aber die Erwerbsinteressen von Anbietern illegalen Glücksspiels. Dies kann nur gelingen, wenn § 817 S. 2 BGB einschränkend ausgelegt wird (OLG Dresden, a.a.O.).

Fazit:

Mit dem Landgericht Hamburg hat sich erneut ein Gericht auf die Seite der von Glücksspielverlusten betroffenen Rechtsuchenden gestellt. Der gesprochene Betrag in Höhe von knapp 175.000 Euro zeigt zudem, welches Ausmaß Glücksspielverluste annehmen kann.


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